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creatalksJuni 2022

Digitalisierung & Flucht (2): Wie Arbeitgeber Geflüchtete unterstützen können

Wir sprechen mit Clara Bracklo, Mitglied des Teams hinter Integreat, über das Wichtigste, das Geflüchtete brauchen, um in Deutschland möglichst problemlos fußzufassen. Digitale Schnittstellen spielen dabei eine große Rolle. Allein mit Technik klappt die Integration aber natürlich noch nicht. Auch Unternehmen können Geflüchtete unterstützen – und das nicht nur als potenzielle Arbeitgeber.

Mit: Clara Bracklo

Den deutschen Alltag mit einer App verstehen lernen

Marius Leuschner (Marketing-Manager, creatale): Hey Clara, willkommen zurück!

Clara Bracklo (Wirkungsmessung & Organisationsentwicklung, Tür an Tür – Digitalfabrik): Hi Marius.

Marius: Deine Firma ist ja ein Sozialunternehmen und letztes Mal haben wir darüber gesprochen, dass eure intrinsische Motivation eine große Rolle im Arbeitsalltag spielt. Eine andere spannende Frage wäre noch: Wie finanziert ihr Integreat eigentlich?

Clara: Wir finanzieren uns hauptsächlich durch eigene Erlöse. Unsere Software-Entwicklungen können grundsätzlich kostenfrei genutzt werden, da wir alles Open Source entwickeln. Falls eine Kommune die IT-Ressourcen hat, kann sie Integreat selbst aufsetzen und betreiben. Allerdings wünschen sich viele Kommunen Support. Auch die Vernetzung mit anderen Kommunen, die auch Integreat verwenden, ist vielen wichtig. Diese Kooperationsvereinbarungen sind kostenpflichtig. Das Tolle dabei ist: Alle unserer ungefähr 80 Kommunen verwenden die gleiche Technologie, dadurch verringern sich die Kosten. Es ist somit für alle viel günstiger, als eine selbstständige Lösung zu entwickeln.

„Wir haben Integreat an verschiedene Job- und Praktika-Portale angeschlossen. Das ist ja das Großartige an Technologie: Wenn es schon eine gute Lösung gibt, müssen wir die nicht nochmal neu erfinden.“
– Clara Bracklo

Marius: Dann lass uns noch mehr darüber sprechen, was Kommunen – und am Ende natürlich die Nutzerinnen– von der Integreat-App haben. Letztes Mal haben wir ja schon über wichtige Erstinformationen gesprochen. Was finden eure User noch so in der App?

Clara: Inzwischen ist das Informationsangebot je nach Kommune um einiges vielfältiger geworden. Es geht viel um Teilhabe und Zusammenleben, zum Beispiel um Sport. Dann gibt’s natürlich noch ganz spezifische Informationen, zum Beispiel über verschiedene Events und Feste. Wir haben einige Kommunen dabei, die Neuzugewanderten in verschiedenen Sprachen erklären, was Fasching ist, weil das in der lokalen Kultur einfach eine große Rolle spielt.

Marius: Darüber habe ich noch nie nachgedacht – ohne Kontext muss so ein Faschingsumzug ziemlich einschüchternd wirken.

Clara: (lacht) Genau! Aber wir versuchen, in solchen Fällen den Kulturschock zu verringern.

Den Einstieg in die Jobwelt schaffen

Marius: Viele Geflüchtete wollen aber natürlich nicht nur Kontakte knüpfen, sondern auch Geld verdienen. Postet ihr in der App auch Jobinserate?

Clara: Bei Stellenangeboten arbeiten wir mit Schnittstellen. Wir haben Integreat an verschiedene Job- und Praktika-Portale angeschlossen. Das ist ja das Großartige an Technologie: Wenn es schon eine gute Lösung gibt, müssen wir die nicht nochmal neu erfinden.

Marius: Was sollten Arbeitgeber beachten, wenn sie Geflüchtete einstellen? Wie macht man ihnen den Einstieg möglichst leicht?

Clara: Da möchte ich auf jeden Fall das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge empfehlen, in dem sind wir auch Mitglied. Die machen wirklich gute Arbeit und bringen zum Beispiel Geflüchtete aus Syrien oder aus Afghanistan in Anstellung. Das Wichtigste für Unternehmen und die Mitarbeitenden ist, glaube ich, Sensibilität: Wir reden hier nicht über Expats, die aus Karrieregründen nach Deutschland ziehen. Unter all den Geflüchteten, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, sind natürlich auch viele Fachkräfte. Aber, wie der Name schon sagt: Sie sind geflüchtet. Das aktuellste Beispiel dafür sind natürlich die Menschen aus der Ukraine, die für ihre Flucht oft nur wenige Tage Zeit hatten. Diese Leute sind erschöpft, teilweise traumatisiert und natürlich auch unsicher, wie es weitergehen soll.

„Und dann gibt es noch eine riesige Chance, wie Unternehmen helfen können, die fast zu offensichtlich scheint: Spenden.“
– Clara Bracklo

Marius: Wie bereitet man sich als Arbeitgeber darauf vor?

Clara: Ganz wichtig ist, dass das Personal sensibilisiert wird. Sprache ist natürlich auch ein wichtiges Thema: Es muss geklärt werden, welche Sprachen im Betrieb essenziell sind. Bei uns zum Beispiel ist Deutsch oder Englisch Pflicht und es hilft auch niemandem was, wenn man überhaupt nicht miteinander kommunizieren kann. Aber eventuell reicht es in anderen Unternehmen ja auch, wenn zum Beispiel ein paar Mitarbeitende Russisch können und dann übersetzen. Eine andere Frage ist, ob die Firma bereit ist, neuen Mitarbeitenden Sprachkurse zu bezahlen und mit welchen Fortschritten man in welcher Zeit rechnen kann.

Was Arbeitgeberinnen jetzt tun können

Marius: Jetzt muss man ja kein Sozialunternehmen sein, um zu helfen. Mal ganz branchenunabhängig: Wie können sich Unternehmen für Integration engagieren?

Clara: Guter Punkt, der Job kommt natürlich erst an zweiter Stelle. Geflüchtete müssen zuerst wissen: Ok, ich bin hier sicher angekommen. Dazu können Firmen natürlich beitragen. Ein guter Startpunkt ist auch hier wieder Unternehmen integrieren Flüchtlinge. Die liefern ganz viele Beispiele dafür, was gerade am dringendsten benötigt wird und wie sich Firmen ehrenamtlich engagieren können. Sie können zum Beispiel ihre Infrastruktur und ihr Personal nutzen, um Sachspenden zu organisieren oder indem sie Betriebswohnungen für ein paar Monate als Bleibe zur Verfügung stellen. Es gibt viel zu wenig Wohnungen. Erst wenn die Menschen ein Dach über dem Kopf haben, können wir schauen, wie wir sie in Anstellung bringen. Und dann gibt es noch eine riesige Chance, wie Unternehmen helfen können, die fast zu offensichtlich scheint: Spenden. Oft erreicht man durch Geldspenden an effektiv arbeitende NGOs ein Vielfaches von dem, was ein Unternehmen selbst an Hilfe organisieren kann.

Marius: Das wird wohl leider alles noch eine ganze Weile dauern. Ich danke dir für das Gespräch!

Clara: Klar, sehr gern.

Schlagwörter: Unternehmertum, Interview, Sozialunternehmen
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