zur Übersicht
creatalksJuni 2023

Bleib agil (1): Wie ein Change-Prozess hin zu mehr Agilität abläuft

Als Trainer und Berater unterstützt Bernd Kollmann von verRückte impulse Unternehmen beim Change-Prozess: Er bereitet jeden betroffenen Mitarbeiter genau wie die Chefin auf die strukturellen Veränderungen vor. Hier erfährst Du, wie eine Umstrukturierung hin zum agilen Arbeiten normalerweise abläuft. Außerdem bekommst Du einen Überblick über die klassische Rollenverteilung eines agilen Teams, das mit Scrum arbeitet.

Mit: Bernd Kollmann

Agiles Arbeiten: Das heißt selbstständige Teams, die schnell auf Änderungen reagieren können. Viele Firmen im Bereich Software-Entwicklung arbeiten agil – auch wir bei creatale. Doch schon seit einigen Jahren wagen auch Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer aus ganz anderen Branchen den Schritt zu mehr Agilität.

Beginn des Coachings: Wir müssen reden

Marius Leuschner (Marketing-Manager, creatale): Hallo Bernd! Bist Du bereit, ein bisschen über Agilität zu schnacken?

Bernd Kollmann (Business-Coach & Gründer, verRückte impulse): Hallo Marius! Na klar, ich freu mich schon.

Marius: Lass uns erstmal mit Deiner Vita einsteigen. Wie bist Du zum Coaching gekommen?

Bernd: Ich habe erstmal eine Ausbildung als Kaufmann absolviert und hab dann im Vertrieb gearbeitet. Das hat mich zunächst mal motiviert, Kommunikationstrainer zu werden. Nach meiner Trainerausbildung hab ich mich mit 29 selbstständig gemacht und mich immer weitergebildet. Mein Mentor hat mich quasi als seinen Nachfolger ausgebildet. In den Jahren habe ich unfassbar viel gelernt. Was ich alles gelernt habe, musste ich erstmal aufarbeiten. Mein Kopf war zuerst wie ein unaufgeräumtes Lager. Inzwischen Blicke ich auf eine große Bandbreite an Erfahrungen zurück, die ich als Trainer und Coach bei verRückte impulse einbringe. 23 Jahre sind ein Beweis für eine erfolgreiche Arbeit.

„Es gibt auch von Anfang an Gespräche mit den Mitarbeitern. Ich will ja die Betroffenen zu Beteiligten machen!“
– Bernd Kollmann

Marius: Auf was konzentrierst Du Dich bei verRückte impulse?

Bernd: Je nach Kunde habe ich ganz verschiedene Aufträge, arbeite zum Beispiel als Personal- und Business-Coach und auch als Trainer. Unser Team aus Trainerinnen und Trainern hat verschiedene Schwerpunkte und Kompetenzen. Wir bilden zum Beispiel auch Agile-Coaches aus.

Marius: Dann bleiben wir doch gleich beim Thema Agilität. Wenn Du bei einem Unternehmen einen Change-Prozess hin zu agilem Arbeiten begleitest, wie fängst Du an?

Bernd: Ich muss da vielleicht erstmal Deine Grundannahme korrigieren: Ein ganzes Unternehmen wird normalerweise nicht agil. Es geht immer nur um Abteilungen, in denen das Sinn macht. Außerdem wird Agilität nicht sofort komplett ausgerollt, sondern schrittweise. Es kommen immer mehr agile Teams dazu. Der Roll-out passiert also mit dem Geschäftsführer, HR und den Leitern des Teams, das zuerst Agilität bekommen soll. Und ganz wichtig: Es gibt von Anfang an Gespräche mit den Mitarbeitern. Ich will ja die Betroffenen zu Beteiligten machen! Sonst kannst du dir die Arbeit und das Investment sparen.

Marius: Um was geht’s bei diesen ersten Gesprächen?

Bernd: Wir klären erstmal grundsätzlich, ob Geschäftsführer und Mitarbeiter überhaupt bereit für Agilität sind – und ob sie die nötigen Kompetenzen haben.

Agilität kann man spielend lernen

Marius: Über das richtige Mindset für Agilität würde ich gern sowieso nochmal sprechen. Jetzt lass uns davon ausgehen, dass das erste Team alle Voraussetzungen erfüllt. Wie lernt man agiles Arbeiten?

Bernd: Ganz oft bereiten wir die Leute mit einem Planspiel vor. Im Idealfall kennt sich noch keiner damit aus, wir sagen den Leuten nämlich nicht mal, dass das Spiel schon ein Beispiel für agiles Arbeiten ist. Da geht’s nicht darum, die Leute zu veräppeln, sondern ihnen direkt zu zeigen: So viel Agilität habt ihr bereits in euch! Ihr bringt das, was es braucht, teilweise schon mit. Wendet es einfach nur an oder lernt dazu.

Marius: Wie würde so ein Planspiel aussehen?

Bernd: Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich arbeite teils mit Gamification-Methoden wie z.B. Lego Serious Play oder Playmobil pro. Da geht es zum Beispiel darum, eine fiktive Stadt zu planen. Das steuern die Mitarbeitenden mit vielen verschiedenen agilen Methoden. Danach arbeitet die Gruppe das mit dem Coach auf: Welche Konflikte und Herausforderungen gab es? Wie haben wir das überwunden? Darüber sprechen wir ausführlich und natürlich auch über die Methoden, die wir dabei angewendet haben. Somit erleben die Teilnehmenden erste agile Schritte und die Angst vor Agilität wird reduziert.

Marius: Hätte ein Video dazu vielleicht nicht auch gereicht?

Bernd: Wenn wir den Leuten nur was zum Lesen oder Gucken geben, erreichen wir niemals alle. Wenn ich selbst etwas getan oder erlebt habe, ist die Erfahrung viel nachhaltiger. Die Teilnehmenden haben nach so einem Planspiel viel mehr Motivation weil sie gemerkt haben: Ich kann das. Und ich lass mich darauf ein.

Marius: Was, wenn ein Teilnehmer bemerkt, dass er oder sie es eben nicht kann?

Bernd: Solche Planspiele sind für uns Trainer und für die Verantwortlichen auch eine Gelegenheit, die Mitarbeiter zu fordern. Zu einem erfolgreichen Roll-out gehört es gelegentlich auch, einem Mitarbeitenden zu sagen: Der agile Prozess ist im Moment nicht gut für Dich. Lass uns individuell schauen, wie wir dich fördern können. Oder, wie wir dich in gewohnten klassischen Prozessen weiterhin einsetzen.

Scrum im Alltag: Das Team nimmt die Arbeit auf

Marius: Wie startet das Team dann? Also, wie sieht der Arbeitsalltag in einer kleinen, agilen Einheit aus?

Bernd: Das Team muss sich an eine ganz neue Arbeitsweise gewöhnen. Einerseits hat es mehr Autonomie und mehr Freiheiten, andererseits auch mehr Verantwortung. Tatsächlich wird die Arbeit in einem agilen Team oft nicht entspannter, sondern erfordert viel mehr Selbstdisziplin. Wie die Kollegen dann genau arbeiten und wie sie sich organisieren, hängt von der agilen Methode ab. Da gibt’s unzählige: Scrum ist wahrscheinlich die bekannteste agile Methode, aber es gibt auch Extreme Programming, Design Thinking, Lean Coffee… Die sind sich in Teilen ähnlich, aber je nach Aufgaben, Kunden-Anforderungen und Teamgröße eigenen sich manche besser als andere. Oder sie werden auch sinnvoll kombiniert. Ich bin kein Fan von „reinen Methoden“ , da diese oft am Bedarf vorbei eingesetzt werden. Scrum und Design Thinking zum Beispiel eignen sich gut, um langfristige, eher komplexe Aufträge abzuarbeiten. Die bestehen nicht selten aus unzähligen Teilschritten und erfordern viel Ausprobieren und ständiges Anpassen.

„Zu einem erfolgreichen Roll-out gehört manchmal auch, einem Mitarbeiter zu sagen: Der agile Prozess ist im Moment nicht gut für Dich. Lass uns individuell schauen, wie wir dich fördern können.“
– Bernd Kollmann

Marius: Dann lass uns das doch mal an einer beispielhaften Methode durchexerzieren: Wie arbeitet ein Team aus der IT zum Beispiel, wenn es sich an Scrum orientiert?

Bernd: Bei Scrum arbeiten die Gruppen in kurzen Zeiteinheiten von maximal 4 Wochen eine bestimmte To-Do-Liste, auch Backlog genannt, ab. Sie stellen in der Zeit ein funktionsfähiges Produkt oder Teil-Produkt her. Diese Zeiteinheiten nennt man Sprints. Die ganze Mission, die man natürlich nicht in einem Sprint abfrühstücken kann, wird in einem Backlog festgehalten. Darin ist genau beschrieben, was das fertige Produkt alles können muss und welche Aufgaben dahinterstehen, damit man das erreichen kann. Zu Beginn legt das Team in einem Sprint-Backlog fest, welche Punkte in der nächsten Zeiteinheit abgearbeitet werden müssen. Während eines Sprints gibt es täglich einen sogenannten Daily Scrum. Das ist ein superstraffes Meeting, an dem das gesamte Team teilnimmt, wo man die anderen über den Fortschritt updatet und Barrieren geklärt. Am Ende jedes Sprints gibt es ein Review, in dem Erfolge, Probleme und so weiter besprochen werden. Und dann geht’s schon weiter zum nächsten Sprint.

Marius: Aus wie vielen Personen besteht so ein Team?

Bernd: Das Team sollte auch auf jeden Fall nicht zu groß sein. Lieber eine kleine, schlagfertige Truppe, erfahrungsgemäß fünf bis sieben Person mit Ihren passenden Kompetenzen.

Marius: Und wer macht da was? Gibt es noch sowas wie einen Chef?

Bernd: Nein, alle Entscheidungen werden im Team zusammen getroffen. Der Alleinentscheider fällt weg, das ist ja eines der Kernkonzepte von Agilität. Bei Scrum gibt es drei Rollen: Scrum Master, Product Owner und die Entwickler. Der Scrum Master leitet das Team an, aber nicht klassisch-hierarchisch, wie das ein Abteilungsleiter machen würde. Er ist nicht Teil eines einzelnen Teams, sondern kümmert sich als Problemlöser meist um mehrere. Er räumt Hindernisse aus dem Weg, koordiniert die Zeitpläne und die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Scrum-Teams. Auch der Product Owner arbeitet teamübergreifend. Er übernimmt sozusagen die Rolle des Kunden.

Marius: Sitzt der Kunde nicht eigentlich außerhalb der Firma?

Bernd: Das stimmt natürlich meistens. Manchmal ist auch eine andere Abteilung der Kunde. Aber der Product Owner spielt dieselbe Rolle: Er ist sozusagen der Auftraggeber, managt das Backlog und weiß, was wo und wann am dringendsten gebraucht wird. Die eigentliche Produktentwicklung übernimmt die kleine Gruppe von Entwicklern.

„Alle Entscheidungen werden im Team zusammen getroffen. Der Alleinentscheider fällt weg.“
– Bernd Kollmann

Marius: Hast Du noch einen letzten Tipp für unsere Leser? Sagen wir mal, das hier liest eine unserer Kundinnen, eine Geschäftsführerin, die gerade erst angefangen hat, über Agilität nachzudenken. Was sollte sie beim Umplanen ihrer Prozesse beachten?

Bernd: Sie sollte sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Nicht nur mit den Vorteilen, sondern auch mit all den Anforderungen, die Agilität an sie und ihre Mitarbeiter stellen wird. Das ist eine ganz andere Art von Organisation, die mit dem klassischen Führungsstil in einem mittelständischen Unternehmen wenig zu tun hat. Idealerweise spricht die verantwortliche Person mit uns. Oder einem anderen wissenden, erfahrenen Menschen. Das hilft, die Situation gleich von Anfang an realistisch einzuschätzen. Denn aus einem trägen Frachtschiff wird, bei aller Fantasie, kein wendiges Schnellboot, wenn wir es agil nennen.

Marius: Dann lass uns das nächste Mal noch über das richtige Mindset reden, dass ein Geschäftsführer für Agilität mitbringen würde.

Bernd: Das können wir gern machen!

Marius: Vielen Dank für das Interview.

Bernd: Ebenso!

Das Wichtigste

  • Lass von einem Coach überprüfen, ob Deine Mitarbeiter bereit fürs agile Arbeiten sind – und ob Du als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin auch selbst so weit bist.
  • Ermutige Deine Leute, schaff Bedenken vorher aus dem Weg – ein Planspiel kann dabei helfen.
  • Halte die Teams lieber klein und schlagkräftig. Es gibt verschiedene agile Arbeitsweisen. Eine der bekanntesten ist Scrum.
Schlagwörter: Positionierung, Unternehmertum, Interview, Zielgruppe
Uns interessiert deine Meinung zu diesem Thema. Diskutier mit uns.
Vielen Dank für Deine Registrierung. Wir haben an Deine E-Mail-Adresse einen Link geschickt. Bitte nutze diesen, um die Anmeldung abzuschließen.

Der versandte Link ist für 30 Tage gültig, die E-Mail-Adresse für die Anmeldung wird solange in unserer Datenbank gespeichert und nach Ablauf dieser Frist automatisch gelöscht, wenn Du dich nicht über den Link anmelden.

Sicher hast Du schon viele langweilige Newsletter erhalten.
Jetzt
Anmelden

Wir freuen uns, dich bei uns begrüßen zu dürfen!

Creatale GmbHHeilbronner Str. 42 | Ludwigsburg
Du möchtest ein Projekt mit uns starten? Schreib uns!
contact@creatale.de